20 Jahre Glockenguss

20 Jahre Glockenguss der 6. Domina

EIN RÜCKBLICK - Glockenguss 1999

18. Mai

Dr. Harald Hausmann, Vorsitzender der Rolandinitiative, nimmt den Bewilligungsbescheid über die Förderung des Glockengußes der "Domina" am 3. September in Höhe von 50 000 DM in Empfang. Mit diesen Mitteln unterstützen die Ostdeutsche Sparkassenstiftung und die Kreissparkasse Halberstadt den Kauf der Rohstoffe, die für die Herstellung des Gußmaterials notwendig sind.

8. Juli

Fast vier Stunden ist das Pferdegespann mit dem Modell der Glocke "Domina" von Quedlinburg nach Halberstadt unterwegs, begleitet von Einsatzkräften des Polizeireviers Halberstadt und den historischen Klängen der Glocke. Das Modell wurde auf Anregung der Roland-Initiative, des Nordharzer Städtebundtheaters und den Stadtwerken Halberstadt in den Werkstätten des Nordharzer Städtebundtheaters Quedlinburg gebaut. Es wird vorerst in den Stadtwerken untergestellt. Zum Sachsen-Anhalt-Tag wird es neben der Glockengrube auf dem Domplatz stehen und auch im Festumzug am Sonntag mitgeführt werden.

Aus Anlaß des bevorstehenden Glockengußes gibt der Geschichtsverein für Halberstadt und das nördliche Harzvorland die Broschüre "Von Glockengießern und Glocken in Halberstadt" heraus. Die 68 Seiten starke Broschüre informiert u.a. über die Geschichte der Glocken, die Entstehung der Glockenformen, über die Halberstädter Glocken und insbesondere über die Glockengießer der Domstadt und das Glockengeläut des Halberstädter Domes.

3. September

Mit einem großen Volksfest wird auf dem Domplatz der Glockenguß der 6. Domina gefeiert. Das Programm beginnt um 14. 00 Uhr mit dem historischen Markttreiben, bei dem u.a. Stelzenläufer, Narren und Gaukler für Unterhaltung der Gäste sorgen. Ab 16.00 Uhr finden Führungen im Dom zum Glockenstuhl statt. Auf der Hauptbühne beginnt zur gleichen Zeit das Programm mit verschiedenen Talkrunden zum Glockenguß, gefolgt von der Aufführung von Schillers Glocke und den ersten deutschlandweiten "Halberstädter Glöcknerwettspielen". Zu den prominenten Gästen des Abends gehören neben dem Schirmherren des Jahrhundertereignisses, Ministerpräsident Dr. Reinhard Höppner, auch Innenminister Manfred Püchel, Wirtschaftsminister Matthias Gabriel und Justizministerin Karin Schubert. Der Begrüßung durch Ministerpräsident Dr. Reinhard Höppner um 20. 00 Uhr schließt sich die Aufführung der "Halberstädter Zeitenreise" von Christoph Zwiener und Jürgen Westphal an, eine Musik- und Theaterrevue mit Liedern, Stücken, Gedichten und Gesängen durch 1200 Jahre Halberstädter Geschichte. Per Video wird anschließend auf einer großen Leinwand die Technologie des Glockengießens erläutert. Als schließlich um 22 Uhr der Spezialtransport aus der Gießerei der Neuen Harzer Werke in Blankenburg auf den Domplatz einbiegt, wird er von den 7 500 Zuschauern mit viel Applaus begrüßt. Nachdem der 21 Tonnen schwere Gießtiegel vom LKW in die Gussgrube geschwenkt wurde, wird von den Gießern Zinn zugegeben, mit einem Fichtenstamm umgerührt und die Temperatur gemessen. Bevor Gießermeister Hans Becker die Pfanne mit der Bronzeschmelze kippen kann, vergeht jedoch noch eine Stunde, da die Schmelze eine zu hohe Temperatur aufweist. Mit dem Glockenschlag 23 Uhr gibt Gußmeister Rinker endlich das Signal zum Gießen. Während die Kupfer-Zinn-Legierung fauchend und sprühend in die Gießrinne läuft, erteilt Superintendent Ulrich Schäffner der neuen Domina den Segen. Viele der 7 500 Zuschauer halten während des Gußvorgangs den Atem an. Zuvor war um Stille gebeten worden, damit die Gießer mit den Füßen fühlen können, wieweit die Form gefüllt ist und am Geräusch der aus der Form weichenden Luft Rückschlüsse auf den Gießvorgang ziehen können. Nach 15 Minuten ist die Form der Acht-Tonnen-Glocke gefüllt. Die Spannung der Gäste entlädt sich nach dem erfolgreichen Abschluß des Gießens in langem Applaus, der in das Begrüßungsläuten der Halberstädter Kirchenglocken einmündet. Kurz vor 23.30 Uhr beginnt die Multimediashow, die der krönende Abschluß des Spektakels wird. Neben schnell wechselnden Wasserfontänen sorgt die Lasershow für Raunen und Szenenapplaus, als sich die Silhouette des Domes und eine im Glockenstuhl schwingende Glocke abzeichnet. Dazu schreibt der Laser die Daten der jeweiligen Domina in den Nachthimmel. Beendet wird die Show mit einem kleinen Feuerwerk, bei dem sich die Raketen aus der künftigen Glockenstube im Südturm des Domes lösen.

Initiator des Gusses der Domina ist Dr. Harald Hausmann, Geschäftsführer des Halberstädter Schlachthofes. Er setzte sich in den vergangenen vier Jahren für die Komplettierung des Domgeläutes ein. Gemeinsam mit der Rolandinitiative und anderen Mitstreitern bekam er die 500 000 DM an Spenden zusammen, die der Guß der Domina kostet.

Der Glockenguß ist seit 485 Jahren der erste unter freiem Himmel in Halberstadt. Letztmalig wurde 1514 in Halberstadt eine Glocke unter freiem Himmel gegossen. Durchgeführt wurde der Glockenguß von Glockengießern aus Lauchhammer und Sinn.

3. Oktober

Unter den Augen hunderter Halberstädter befreit ein Kran die Domina von ihrem Lehmmantel. Wenig später schwebt auch die Glocke selbst unter dem Beifall der Zuschauer aus der Gußgrube. Sie ist mit einer dicken rußigen Kruste aus verbranntem Lehm bedeckt. Da sich der Formkern nicht herauslöste, hängen rund 14 Tonnen Last am Kranhaken. Vorsichtig wird die Domina im Freien herabgelassen und auf die Seite gelegt. Nach gutem alten Brauch wird eine Sektflasche an der Glockenkrone zerschlagen. Danach können die zahlreichen Zuschauer den bis dahin abgesperrten Bereich betreten, um die Glocke genau betrachten und anfassen zu können.

Mit dem Stück "Die Präsidentinnen" gibt Schauspielleiter Malte Kreutzfeldt in der Kammerbühne sein Regie-Debüt. Hierbei handelt es sich um eines der sprachlich originellsten und eigenwilligsten Werke, die am Ende des Jahrhunderts geschrieben worden sind. Malte Kreutzfeldt inszeniert das Stück als als melancholisches Kammerspiel.

12. Oktober

Uwe Graeveling, Leiter des "Roller"-Marktes, überreicht einen Sachgutschein in Höhe von 1 000 DM an Hans-Jochen Thiele von den Diakonie-Werkstätten. Die in den Werkstätten betreuten geistig Behinderten hatten zur Geschäftseröffnung des Marktes einen Holzroller gebastelt.

Unter den Augen zahlreicher Schaulustiger wird auf dem Domplatz erstmals die Domina angeschlagen. Dr. Harald Hausmann, Initiator des Glockengusses, Glockengussmeister Hans Becker und Metallgestalter Johann-Peter Hinz schlagen mit einem Metallklöppel dreimal die Domina an. Es erklingt ein satter dunkler Ton. Danach prüft Christoph Schulz, Glockensachverständiger der Ev. Landeskirche, in einem ersten Versuch mit einer Stimmgabel, ob die Domina die richtige Tonlage hat. "Die Glocke hat einen schönen satten Klang", so seine ersten Worte nach der Prüfung. Weitere Versuche sollen nun Aufschluss über erforderliche Nacharbeiten geben.

31. Oktober

Etwa 7 000 Schaulustige finden sich auf dem Domplatz ein, um das Aufziehen der festlich geschmückten Domina zu verfolgen. Dieses beginnt um 11.30 Uhr mit dem Geläut der großen Domglocken, einem Lied des Posaunenchores und einer kurzen Ansprache von OB Hans-Georg Busch. Danach bittet Superintendent Ulrich Schäffner um Gottes Segen zum Gelingen des Werkes. Nach erneutem Glockengeläut übernimmt Dr. Harald Hausmann das Kommando zum Hochziehen der Glocke. 60 Halberstädter vom Tennisverein Rot-Weiß, vom SV Fortuna, vom Schützenverein, Junghandwerker und Feuerwehrmänner beginnen daraufhin mit dem Aufzug. An der Spitze befindet sich Domküster Thomas Lüdde, der die Idee hatte, die Domina per Hand nach oben zu ziehen. Um 11.50 Uhr wird die einen Meter über der Erde hängende Domina noch einmal angeschlagen, bevor sie zügig innerhalb von neun Minuten zur Plattform hinaufgezogen wird. Dort angekommen, dauert es noch eine Stunde, bis die Plattform unter der schwebenden Glocke vervollständigt ist und sie auf Rollen in die Glockenstube hineingezogen werden kann. Diese Zeit überbrückt Moderator Andreas Karger mit kurzweiligen Erläuterungen und mehreren Gesprächsrunden mit den an der Aktion beteiligten Persönlichkeiten. So u.a. mit Initiator Dr. Harald Hausmann, Statiker Dr. Volker Lind, Krantechniker Martin Schäfer, Künstler Johann-Peter Hinz, Glockengießermeister Hans Becker und einigen der Zuschauer, die zum Teil von weit her gekommen sind, um dem einmaligen Schauspiel beizuwohnen. Nach 119 Minuten wird die 8,2 Tonnen schwere Domina schließlich in die Glockenstube im Südturm des Domes gezogen.

Die Aufzugtechnik mit dem Seilzug über 4fach-Umlenkrollen, zwei Seilbremsen und einem 370 Meter langen Seil stammt von der Firma Schäfer. Die Plattform wurde von der Firma Adams ausgelegt, die auch für das Hineinrollen der Glocke verantwortlich war.

25. November

In der Halberstadt-Information ist "Das Video zum Glockenguß der Domina von Halberstadt", so der Titel der Videokassette, zum Preis von 29,90 DM erhältlich. Der Ansturm ist jedoch so groß, daß die Auflage von 500 Stück innerhalb weniger Stunden vergriffen ist.

Hergestellt wurde der 45minütige Streifen von der Firma Vicom TV in Allrode unter der Regie von Herbert Pohl. Für den Text zeichnet der Halberstädter Autor Jürgen Westphal verantwortlich. Gezeigt wird die gesamte Entstehungsgeschichte vom Ausheben der Grube auf dem Domplatz bis hin zum Glockenaufzug.   

2. Dezember

Im Restaurant "Schwejk" stellen Dr. Volker Bürger, Vorsitzender des Geschichtsvereins, und Volker Warnecke im Beisein von Dr. Harald Hausmann, Initiator des Glockengusses, das Buch " Von Glockengießern und Glocken in Halberstadt - Domina, die größte Glocke des Dom-Geläutes" vor. Dies geschieht an dem Ort, an dem die Idee zur Vervollständigung des Domgeläutes ihren Anfang nahm. Am 8. Dezember 1995 kamen hier zur Eröffnung der Gaststätte 11 000 DM zusammen, mit denen das Vorhaben finanziert werden sollte.

Das Glockenbuch beginnt mit einer Schildung über die Geschichte der Glocken und Glockengießer in Halberstadt von Werner Hartmann. Dieser schließt sich die Geschichte des Domgeläutes von Claus Peter an. Im dritten Teil widmet sich Volker Warnecke der Chronik der Wiederherstellung des Domgeläutes von 1995-1999, die mit zahlreichen Farbabbildungen versehen ist. Nach einer Abhandlung über die archäologischen Ausgrabungen zur Vorbereitung der Glockengußgrube, die von Dr. Volker Bürger verfaßt wurde, schließt der Band mit einem Bericht über den Glockenschmuck der Domina von Johann Peter Hinz.     

11. Dezember

Unterstützt von der Kreissparkasse Halberstadt und der Ostdeutschen Sparkassenstiftung erscheint das Buch "Der Glockenguß zu Halberstadt". Autor der Broschüre ist Jürgen Westphal, die Fotos stammen von Jo Lux.

15. Dezember

Der MDR strahlt um 20.15 Uhr eine Sachsen-Anhalt Spezial Reportage mit dem Titel "Das Wunder von Halberstadt" aus. Der 30minütige Streifen zeigt den Glockenguss der Domina vom ersten Spatenstich bis zum Aufziehen der Glocke.

31. Dezember

Etwa 10 000 Menschen stehen dicht gedrängt eine halbe Stunde vor Mitternacht auf dem Domplatz, um das alte Jahr zu verabschieden und das neue zu begrüßen. Nach einer kurzen Ansprache von OB Hans-Georg Busch überbrückt das Video "Abenteuer Halberstadt" die letzte Viertelstunde bis zum Jahreswechsel. Um 24.00 Uhr ist es dann endlich soweit: begleitet von Böllern und Feuerwerkskörpern erklingen erstmals alle Glocken des Domes, einschließlich der Domina mit ihrem vollen Klang. Nach 15 Minuten endet das Geläut und im Stadtzentrum wird ein farbenprächtiges Feuerwerk gezündet.

Quelle: Städtisches Museum Halberstadt